Im ruruHaus
I: Was haben Sie denn bis jetzt gesehen und was ist als Eindruck hängengeblieben?
W1: Ich habe fast alles besucht, bis auf drei, vier Ausstellungsorte, und hängengeblieben in dem Sinn, welche Kunst ich gesehen habe, oder was ich als Eindruck habe?
I: Was dir als erstes in den Kopf kommt.
W: Sehr, sehr viele Bildschirme, die man sich angucken konnte, sehr sehr viel Filme, die kommen mir als erstes in den Kopf. Teilweise gute Filme, aber teilweise auch einfach nicht abzuschätzen, man weiß nicht, wie lang die sind. Man sitzt dann da, man weiß nicht richtig, wie lange bleibe ich noch sitzen, wie lange muss ich noch. Aber ich habe bisher sehr gute Anregungen gefunden, zwischendrin. Da ist wahrscheinlich jeder Geschmack einfach unterschiedlich. Es gab eine sehr schöne Audio-Installation, die mir auf jeden Fall noch im Gedächtnis bleiben wird, und … genau. Sehr politische Ausstellung, die sehr sehr viele weltliche Probleme anspricht. Auch klimatische Probleme, und viel dokumentiert, finde ich. Ich finde, es ist sehr viel Dokumentation, nicht unbedingt Kunst.
W2: Ich habe noch nicht so viel gesehen, zeitlich nicht geschafft. Aber von dem, was ich gesehen habe, sind es weniger Bildschirme, aber eher so … viel Buntes. Viel Farbe. Auf engem Raum. Viel Farbe auf engem Raum. Viel selbst gestaltetes von anderen Menschen, Kindern, auch anderen Menschen, die auch an diesem Projekt teilgenommen haben, gemeinsam was kreiert haben. Und das finde ich eigentlich sehr schön. Ich habe noch vor, mir noch was anzuschauen, heute und morgen. Aber das, was ich bis jetzt gesehen habe, hat mich schon beeindruckt. Ein bisschen viel, aber da muss man sich halt ein bisschen Zeit nehmen.
I: Und der Gesamteindruck von der documenta? Heute, aber auch, wenn Sie schon mehr davon wissen?
W2: Ich fand es sehr schön, dass es sehr verteilt über die Stadt war, so dass man als Besucher, aber auch jemand, der vielleicht auch aus Kassel kommt, nochmal neue Orte entdeckt hat. Sehr breites Bild von Publikum, das man in der Stadt auch mitbekommen hat. Weil das in Wohnvierteln lag, in der Innenstadt lag, in einem alten Kino war. Das fand ich irgendwo sehr schön, sehr angenehm. Eine sehr bunte Ausstellung, die glaube ich auch ein sehr unterschiedliches Publikum angezogen hat. Ich habe oft gehört, dass es sehr familienfreundlich war. Das finde ich gut und ziemlich schön auch. Auch die Idee, einen Kindergarten mitten in die Ausstellung zu packen und zu sagen: „Hier ist Raum für Kinder.“ Weil sie ja auch ein Mitglied der Gesellschaft sind, und einfach auch einen Platz zugewiesen bekommen sollten. Nicht so ein homogenes Kunstausstellungspublikum angezogen hat. Sehr international auch. Und sehr kollektiv, würde ich auch sagen. Vernetzen und viele zusammenführen. Viele Ansätze, die irgendwie antihierarchisch sind in der documenta. Finde ich auch sehr gut gewählt.
W1: Die Zugangsweise ist nahbarer als bei den documenta davor. Auch weil es eben strukturell schwächere Viertel sind, die eingebunden werden. Aber auch, weil es nicht auf Museen ausgelegt ist, die ausschließlich so White Room-Ausstellungskonzept verfolgen. Dass es auch viele Orte gibt, die einfach schon vorher als etwas anderes existiert haben, und nicht als Museen, renoviert wurden, oder das neue Orte entstanden, die dann Kultur zeigen. Auch vieles, was dem widerspricht trotzdem, die Institution, ganz anders ist als das Konzept.
I: Die Institution deckt sich nicht mit dem Konzept?
W1: Die Struktur der Institution deckt sich nicht mit der Struktur des Konzepts. Da hat man ja viel auch in den Nachrichten drüber gehört. Wo sich dann Sachen nicht umsetzen lassen. Sachen auch nicht angenommen werden von diversen Leuten. Ich habe auch viel gehört, dass häufig ältere Leute nicht so viel damit anfangen können, dass eben nicht dieses klassische „wir schauen uns Gemälde in einem Museum an“, sondern wir haben eben viel mehr diese Breite. Die beansprucht werden, und dann dementsprechend viele Leute damit auch nichts anfangen können. Aber würde schon sagen, die breite Masse ist schon eher angesprochen mit dem Konzept, weil es eben sehr kollektiv ist.
W2: Das einzige, was mir als Kritik gerade noch einfällt, die ich von älteren gehört hatte, ist, dass es sehr oft Sitzmöglichkeiten auf dem Boden gibt, oder Sitzsäcke. Oder dunkle Räume, man stolpert da rein, sieht die Kabelkanäle nicht. Das habe ich öfter gehört. Für junge Leute ist das kein Problem und hip, man ist da auf dem Boden und legt sich da schön in so ein Couch-ähnliches Ding rein. Das ist dann so eine Anregung, die man mitnimmt. Dass man doch offen für ganz viele Menschen, verschiedene Altersklassen ist, die unterschiedlich unterwegs sind.
W1: Ja, auf jeden Fall. Und die Beschriftungen von den einzelnen Kunstwerken ist auch sehr klein geschrieben oder hängt sehr weit unten, wo man dann als älterer Mensch nicht so …
W2: Und was ich auch noch schade finde, ist, dass man um viele Kunst zu verstehen, sich eigentlich diesen Führer, diesen documenta-Führer noch dazukaufen muss. Da ist von den Beschreibungen neben den Kunstwerken häufig nur eine Nennung des Materials, und kein Hintergrund, den der Künstler sich dabei gedacht hat. Das heißt, wenn man als Besucher herkommt, muss man erstmal die Kosten des Besuchs in Kauf nehmen, der Anreise, der Unterkunft, die zu diesen Zeiten wahrscheinlich auch nochmal teurer ist als normal in Kassel. Und dann nochmal obendrauf eine Führung wahrscheinlich, um viel zu verstehen. Oder eben dieses Buch sich kaufen und sich selber da durchforsten und durcharbeiten. Es ist nicht so „man geht hin, man nimmt mit“. Auch viel, aber nur, was man selber versteht, und nicht, was der Künstler sich gedacht hat.
I: Dürfte ich euch fragen, was eure Lieblingskultur- und Freizeitaktivitäten sind?
W1: Ich bin auch sehr viel in Kollektiven unterwegs. In Künstler:innenkollektiven, oder wo es um Kunstvermittlung geht. Deswegen passt es auch zu dem Konzept. Man kann es dann annehmen dadurch.
W2: Ich bin in der Freizeit sehr viel in der Natur unterwegs, würde ich sagen. Oder am Basteln, am Werkeln, am Bauen, genau.