Beim Bootshaus Ahoi
I: Dann sortieren Sie Ihre Eindrücke, ich habe Zeit.
F: Es war viel, aber ich habe mich im Grunde genommen da nicht wiedergefunden. Das war mir zu … Also im Hallenbad Ost, man kam rein, und wurde erstmal überflutet von diesem großen Bild, und dann musste man wirklich erstmal so ein bisschen sortieren. Schwierig, fand ich das für mich. Also an jeder Ecke war etwas zu sehen, und dann musste man natürlich auch … es gab wenig Erklärung dafür, fand ich auch schwierig. Man musste sich dann selber ein Bild machen. Ich sage mal, nach einer gefühlten halben Stunde war ich da draußen. Weil mich das so nicht angesprochen hat, dieses Thema. Wenig. Dann war ich in der Hübner-Halle [Hübner-Areal], das war ähnlich bis auf diese Geschichte von den behinderten Menschen, da gab es eine Ecke, das hat mich mehr angesprochen. Dann bin ich von da aus … denn ich war nicht in der documenta-Halle, das war mir damals zu voll, und bin dann ins Grimm-Museum [Grimmwelt], das fand ich auch nicht so prickelnd. Mir persönlich – also, bei der letzten documenta, von Herrn Szymczyk, die war sehr kopflastig, musste man auch viel lesen, aber damit konnte ich was anfangen. Aber mit dieser nicht.
I: Sie haben die letzte documenta gesehen, haben jetzt diese gesehen. Was ist denn so das Gesamtbild – gerade auch im Vergleich zu anderen?
F: Also ich fand, die Konzeption kann man machen, aber ich fand es einfach zu viel. Und schon dieser ganze Skandal im Vorfeld, sage ich jetzt mal, das war sicherlich nicht zuträglich. Und gegenüber dem Theater ist ja dieses Plakat gewesen, was ja dann erst überhangen wurde, dann wurde es abgehangen. Fand ich nicht gut.
I: Fanden Sie das Plakat nicht gut oder das Abhängen?
F: Ich fand einmal dieses Überhängen nicht gut, erstmal. Und dann ab. Dann hätte man zumindest eine Erklärung hinstellen müssen. Ich meine, ich glaube, am Anfangstag ist es auch nicht so wirklich aufgefallen, man musste da schon sehr genau hingucken. Und dass dieses Kollektiv nicht wirklich in der Lage war … Die haben sich mehr abgeschottet, als dass sie was gesagt haben. Das fand ich nicht gut. Das war nicht konstruktiv. Und auch die Leiterin [Frau Schormann] hat glaube ich viel zu lange gewartet, was zu sagen, und nachher war sie weg vom Fenster. Ich glaube, das war nicht gut. Auch das, was dann aus Berlin kam, letztendlich. Nee, also … ich glaube so ein Konzept ist schwierig, mit so vielen Künstlern. So ein Kollektivkonzept. Ich glaube, wenn man ein anderes genommen hätte … ich weiß es nicht. Ich hatte mich drauf gefreut, aber ich war eher wo ich gesagt habe: „Das muss ich nicht nochmal sehen.“ Ist einfach so. Ich glaube, das ging auch den meisten aus Kassel so, denn in Kassel ist es ja … Die Bewohner von Kassel fremdeln mit der documenta eher schon seit jeher. Jetzt – ich glaube, das wurde hier in Kassel auch nicht gut angenommen. Dann dieses Buchungssystem – war wohl eine grande Katastrophe, dass man nicht durchgestiegen ist: Wo muss man hin? Das war alles ein bisschen unübersichtlich. Das hat auch die meisten gestört, auch Leute, die aus Köln kamen, zum Beispiel, fanden das auch ganz furchtbar. Also wie gesagt: ich würde mir die nächste documenta wünschen, wo auch was bleibt im Kopf. Also zum Beispiel die documenta 13 von Frau Bakargiev, da war ja ganz viel hier im Areal Aue – das war ja fast gar nichts. Und auch diese „Return to Sender“-Geschichte. Ich meine, wir wissen das doch alle. Gut, man muss es heutzutage wahrscheinlich nochmal sagen, aber wir wissen doch alle, wo der Schrott landet, wo die Kleidung landet. Das Schlimme ist ja: Diese Packen, die wurden ja extra angeliefert. Das waren ja noch nicht mal Klamotten aus Afrika. Die hätte man ja auch verschiffen können.
M: Das wäre dann „Return to Sender“. Das ist es nicht. Das, was jetzt abgebaut wird, und das geht dann auch … so ist nämlich der Weg. Und deswegen ist das, was man gesehen hat … Ich bin drin überhaupt nicht … Weil ich es ablehne, aufgrund dieses Skandals. Aber das, was ich draußen gesehen habe, gerade dieses „Return to Sender“, da habe ich auch gesagt: Hier stimmt irgendwas nicht. Das passt nicht. Das ist einfach hingestellt, ja, gut. Aber dann ist der Titel der falsche.
F: Mir ist nichts – ich habe auch Fotos gemacht, aber ich habe sie dann gelöscht. Weil das blieb mir nicht im Kopf.
M: Schade.
F: Mir ist eines von der documenta sehr im Kopf geblieben, ich glaube … War das Bakargiev, mit diesen Erste-Weltkrieg-Opfern, den Verstümmelten? Das fand ich genial. Die hatten dann auch so Aschenbecher mit so Munitionshülsen. Das war ein ganz kleiner Raum, und dann diese verstümmelten Menschen, das ist mir bis heute im Kopf geblieben.
M: Das einzige, was hier hängenbleibt, ist die mangelnde konstruktive Kritik, die man üben kann. Egal, ob das jetzt einen antisemitischen Hintergrund hat oder nicht. Völlig egal. Aber dass man konstruktiv in Gespräche einsteigt, das wurde verweigert. Und die Kritiken, die ich jetzt immer so lese, die gehen alle in diese Richtung: Es ist eine vertane Chance. Die Idee als solche ist ja nicht schlecht. Ich hatte ja sogar eine Hundert-Tage-Karte, die ich dann zurückgegeben habe, weil ich es einfach für mich moralisch nicht vertreten konnte. Aber da fehlt was. Sich zurückzuziehen – und die Interviews, die wir ja viel gesehen haben, bei Arte und wo auch immer …
F: Die waren teilweise auch ziemlich weichgespült.
M: Das liegt ja nun an dem Reporter, aber man hat schon gesehen, dass … Durch so ein Grinsen in die Kamera, hat man schon gesehen, dass man überhaupt keinen Wert darauf legte, auf irgendwelche Diskussionen. Du da finde ich dann, ich will nicht sagen verarscht, aber es geht in diese Richtung. Das ist einfach nur eine Inszenierung. Wir haben uns hier am Tisch, haben wir ganz am Anfang gesessen mit einem Kunstkritiker aus [westdeutsche Stadt], und da hatten wir uns unterhalten. Die waren auch extra angereist. Die hatten a) schon mal Riesenprobleme mit dem Buch, das war das erste. Aber er sagte ganz deutlich zu mir: Das ist ne Big Verarsche, die hier läuft. Das ist ein Kollektiv, fünf Mann, die kennen sich schon seit dreißig Jahren, und die haben gesagt: Wir machen mal was, wir initiieren was, und da können wir auch gut Geld verdienen. Das kommt auch so wirklich durch. Muss man einfach den Sinn eine Kunstausstellung nicht so … Wir sind sehr oft auf Kunstausstellungen … habe ich auch den berühmten roten Faden, das ist alles … Sie [F] macht auch viel mit Kultur, auch die schrägsten Stücke, die es manchmal im Theater gab, da hat man trotzdem den roten Faden. Habe ich hier überhaupt nicht.
F: Wir hatten zu Anfang, der Eröffnung der documenta, war ein Künstlerpaar aus Schweden, die haben eine Performance gemacht, und das fand ich wesentlich besser als das, was ich da gesehen habe. Das ist mir auch im Kopf geblieben. Die Leute fanden das toll. Waren aber alles documenta-Besucher, die gedacht haben, es gehört dazu. Da muss ich mich dann auch mal fragen. Das war jetzt in Kurzform.
M: Es fehlen dann auch an einzelnen, was ich so von Freunden gehört habe, an den einzelnen Objekten Erklärungen. Wenn Erklärungen, waren sie in Kniehöhe. Das ist schlecht.