Vor dem Fridericianum
I: Was haben Sie bisher von der documenta gesehen und wie haben Sie das erlebt?
W: Wir haben jetzt das Fridericianum und das Stadtmuseum gesehen. Das waren die Orte, die wir bisher gesehen haben.
M: Das hat uns dann auch erstmal ganz gut gefallen. Das war interessant. Hier war es auch wieder ein bisschen auffällig mit den Plakaten von ruangrupa. Also mit dem Antisemitismus, dass die hier überall hingen, diese Ausdrucke, das war relativ auffällig. Das war ziemlich präsent.
W: Ja, vor allem im Stadtmuseum, direkt der erste Bereich, da hängen die „Free Palestine“, schwierig, mehr als schwierig, ehrlich gesagt.
I: Auf welche Weise?
W: Ich persönlich finde, dass der Umgang der documenta bisher mit dem präsentierten Antisemitismus nicht OK ist. Ich finde gut, dass das Expertengremium eingeführt wurde, was dann ja aber auch von der künstlerischen Leitung nicht anerkannt wird, dass die Kritik, die da kam, nicht wirklich ernstgenommen wurde. Was ich persönlich traurig finde.
I: Wenn Sie ansprechen, dass das „überall hängt“: Prägt das auch das Gesamtbild – oder gibt es auch andere Sachen, die prägend sind für diese documenta?
M: Ich kann schon – es fällt ja auf, dass es viel um koloniale Strukturen geht, über Rassismus. Das ist ja auch eine gute Sache, und es ist auch gut. Aber dass dann eine andere Form von Diskriminierung so präsent ist, das ist schade. Dass man über ein so wichtiges Thema spricht, aber ein anderes so wichtiges Thema wie Antisemitismus in der künstlerischenn…
W: Ich finde, es hängt so wie ein Schatten über der documenta. Es hat ja offensichtlich mit einem großen Knall angefangen, aber dass dann im Laufe des Sommers immer wieder neue Sachen gefunden wurden, und das eben auch nicht in dem Maße thematisiert wurde – und eben jetzt überall die Plakate [der BDS-Aktion] hängen, die eine antisemitische Konnotation grundsätzlich haben, die man da auf jeden Fall reinlesen kann, ist dadurch, dass es so präsent ist, hat einen bitteren Beigeschmack.
Obwohl es wie gesagt grundlegend ein tolles Konzept der documenta ist, zu sagen: OK, wir gehen weg von der westlich geprägten Blickweise und geben anderen Menschen die Bühne. Aber auf Kolonialismus und Rassismus aufmerksam zu machen und dann gleichzeitig …
M: Das ist dann ein bisschen konträr. Dass das Thema trotzdem stattfindet, obwohl das Thema ja Antikolonialismus und Antirassismus ist – und da gehört der Kampf gegen Antisemitismus ja eigentlich mit dazu.
W: Genau.
I: Was wollen Sie sich von der documenta noch ansehen?
W: Auf jeden Fall die documenta-Halle, dann die Kunigundis-Kirche, Hallenbad Ost, Sandershausen auf jeden Fall.
M: Ja, das erstmal, und schauen, wo es noch hingeht.